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Von Wolfgang Wiedenhöfer

Die Erhöhung des alten Herzogtums Württemberg durch Napoleons Gnaden 1803 zum Kurfürstentum und 1806 schließlich zum Königreich brachte einen rigorosen Umbau der Verwaltungsstruktur mit sich. Das Herzogtum war geprägt gewesen durch die Teilhabe des Landtags an der politischen Macht und der überörtlichen Selbstverwaltung der Städte und Dörfer, die auf der „Amts- und Landschadensordnung“ von 1489 basierte, einer der ältesten Rechtsnormen des Reiches. Der nun zum König avancierte Friedrich setzte alles daran, eine absolutistische Alleinherrschaft zu installieren und das das überkommende Verwaltungssystem umzubauen. 1806 wurden im „Organisationsmanifest“ das ehemals herzogliche Altwürttemberg und die neu hinzugekommenen württembergischen Gebiete neu gegliedert. Es entstanden 64, nach Fläche und Einwohnerzahl annähernd gleich große sogenannte Oberämter, eine Verwaltungssystematik die, von einigen kleineren Gebietsverschiebungen abgesehen, bis ins Jahr 1939 bestehen sollte.

Das Königreich Württemberg wurde in vier Kreise aufgeteilt, die 1822 wiederum in 12 sogenannte Amtsvogteien unterteilt wurden: Den Donaukreis mit dem Regierungssitz in Ulm, den Schwarzwaldkreis mit dem Regierungssitz in Reutlingen, den Jagstkreis mit dem Regierungssitz in Ellwangen und den Neckarkreis mit dem Regierungssitz in Ludwigsburg. Zum Neckarkreis gehörten neben dem Amtsoberamtsbezirk Stuttgart unter anderem die Oberämter Winnenden, Backnang und Waiblingen. Das Oberamt Winnenden wurde schon nach kurzer Zeit Waiblingen zugeschlagen. Weitere Oberämter des Neckarkreises erstreckten sich in das Gebiet des heutigen Rems-Murr-Kreises hinein, so Teile der Oberämter Weinsberg, Gaildorf, Cannstatt und Marbach. Die Oberämter Schorndorf und Welzheim gehörten zum Jagstkreis.

Waiblingen war also Oberamtsstadt geworden. Vom Oberamtsgebäude in der Kurzen Straße (1971 für den Neubau des „Marktdreiecks“ abgerissen) bestimmte der 1804, also schon vor der Veraltungsreform von höchster Stelle eingesetzte Oberamtmann Friedrich Wächter über die Geschicke des Oberamts. Ihm zur Seite stand ein von der Bürgerschaft auf Lebenszeit gewählter Schultheiß als Stadtoberhaupt. Wahlberechtigt waren alle männlichen Bürger, die Steuern zahlten. Innerhalb des Oberamtes existierte mit der aus Ortsvorstehern bestehenden sogenannten Amtsversammlung ein weiteres Verwaltungsgremium, in etwa vergleichbar mit dem heutigen Kreistag. Finanzverwaltung und Justiz wurden streng von der allgemeinen Verwaltung getrennt – das „Kameralamt“ in der Langen Straße 40 fungierte bis 1889 als staatliche Finanzstelle des Oberamts, das königliche Oberamtsgericht im Haus Marktplatz 1 war oberste juristische Instanz. In Stuttgart tagte der Landtag mit seinen zwei Kammern, der ersten Kammer aus adeligen Mitgliedern und der zweiten Kammer aus mehrheitlich frei gewählten Mitgliedern. Der alte Rat war abgeschafft, der von der Bürgerschaft gewählte Gemeinderat und Bürgerausschuss traten an seine Stelle. Aufgabe des Bürgerausschusses war es, Schultheiß und Gemeinderat zu kontrollieren. Das Württembergische Verwaltungssystem gehörte nun zu einem der modernsten, liberalsten und effektivsten in ganz Europa.

Das ehemalige Waiblinger Oberamt in der Kurzen Straße, 1971 abgebrochen;
Foto: Archiv Heimatverein Waiblingen e.V.

Abb. Header: Unbekannter Künstler, Ansicht von Waiblingen (um 1825), Federlithografie; Bestand Archiv der Stadt Waiblingen